Burnout
Der Kollaps des Ich's - der Infarkt der Seele
Burnout ist ein Sammelbegriff für verschiedene, gleichzeitig auftretende Symptome. Es gilt als Beschwerdebild, nicht als Diagnose. Burnout ist ein geistiger, körperlicher und seelischer Erschöpfungszustand (häufiger oder chronischer körperlicher Energiemangel, Erschöpfungsdepression, Nervenzusammenbruch, oft mit unangenehmen vegetativen Begleiterscheinungen), der sich über Jahre hinziehen und chronisch äußern kann; entstanden durch lang anhaltende Ungleichgewichte auf diesen Ebenen, ohne ausreichende Erholungs-/Entspannungsphasen dazwischen.
Ist einmal eine gewisse Schwelle überschritten, gerät der hormonelle Kreislauf aus den Fugen (Stresshormon Cortisol schädigt Schaltstellen von Nervenbahnen), das Zusammenspiel zwischen sympathischem (tonisierendem) und parasympathischem (sedierendem) Nervensystem funktioniert nicht mehr ausgewogen. Die Folgen äußern sich in sehr komplexen Beschwerdebildern. "Viel Stress schädigt den für Lernprozesse und Gedächtnis wichtigen Hypocampus im Gehirn, betroffenes Gewebe stirbt ab. Prinzipiell können durch Entstressung neue Nervenzellen entstehen." (Dr. Britta Hölzel, Meditations- und Gehirnforschung)
"Purer Stress kann den Puls nach oben treiben und dadurch das Herz belasten. Ständiger Stress erhöht die Sterblichkeit sogar mehr als Rauchen und ist für jeden 3. Herzinfarkt verantwortlich." (Dr. Johannes Wimmer, Fernsehsendung "Dr. Wimmer - Wissen ist die beste Medizin", NDR)
FAKTOREN
Epigenetik: Die Umwelt wirkt generationenübergreifend auf unsere Gene. (Ein Vortrag von Dr. Peter Spork, Radio Vorarlberg, Focus)
"Man sagt ja, dass die erste Aufnahme der Erde vom All aus - der Eindruck dieses zerbrechlichen blauen Dings, das da durchs Universum segelt - dazu geführt hat, dass die Menschen die Welt plötzlich retten wollten. Ich glaube, dass künftige Generationen schon deshalb eine planetarische Sichtweise haben, weil sie dieses Bild sahen. Hier könnte es ähnlich laufen. Eines Tages leben die Menschen ihr Leben vielleicht so, dass sie damit ihr Genom schützen, praktisch als Hüter des Genoms. Ich finde ja, dass man damit vorsichtig umgehen muss, weil es nicht nur einen selbst betrifft. Man sollte das nicht selbstsüchtig sehen und sagen 'Ich rauche oder tue gefährliche Dinge, weil es mir egal ist, ob ich jung sterbe'. Man trägt auch die Verantwortung für seine Kinder und Enkel." (Prof. Marcus Pembrey, University College London)
Das, was die äußere Welt mit uns macht, schlägt sich bis auf die molekulare Ebene durch. Wir sind die Summe all unserer Erfahrungen: Fitness für das Erbgut - Frag den Lesch (ZDF)
Eltern-Kind-Beziehung: Fehlende psychosoziale Gesundheit (Liebe, Geborgenheit, Zuwendung, Wertschätzung, Förderung) familiäre Konflikte, Aufwachsen in Armut, Drogen-/Suchtmittel konsumierende Eltern und deren Umfeld, religiös verblendetes Umfeld, Unterdrückung der individuellen Persönlichkeitsentwicklung; mangelndes/fehlendes Urvertrauen.
"Bindung und Vertrauen von Kindern" - Eine Focus-Sendung von Radio Vorarlberg; Vortrag von Fabienne Becker-Stoll.
"Wenn die Mutter für das Kind uneigennützig verfügbar ist, also eine spiegelnde Mutter im positiven Sinn darstellt, wenn sie ein emotional warmes Klima erzeugen und auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen kann, entwickelt sich im heranwachsenden Wesen das gesunde Selbstwertgefühl. Fehlen hingegen in der Mutter-Kind-Beziehung Empathie, Konstanz und Verlässlichkeit, werden die natürlichen Bedürfnisse nicht entwickelt, sondern verdrängt. Es kann sich kein Urvertrauen bilden. Das Kind lässt die natürlichen Bedürfnisse nicht zu und wird verunsichert. Die Selbstansprüche werden als gefährlich erlebt und deshalb verdrängt. Das Gefühl, nicht genügend anerkannt und geliebt zu sein, führt zur emotionalen Unterversorgung, zum ständigen 'Hunger nach Liebe'. Eine Unter- (aber auch eine Über-)Versorgung an Zuwendung (= Interesse), Zärtlichkeit (= positive Emotionen) und Zeit (= Anwesenheit) in der für die psychischen Entwicklung so wichtigen Phase der frühen Kindheit, kann zu vielen psychischen Problemen und auch zum Narzissmus führen." (Prof. Dr. Reinhard Haller, Psychiater und Neurologe)
"Wenn es zu Störungen kommt, zB durch Belastung in der Familie oder sogar schon Belastung in der Schwangerschaft, dann werden die Stresssysteme beim Kind hochgefahren - und die bleiben dann ein Leben lang auf diesem hohen Niveau. Das hat Auswirkungen in der Gesundheitsentwicklung und bei der Bewältigung von späteren problematischen Situationen." (Dr. Harald Geiger, Kinder- und Jugendfacharzt, Dornbirn)
Berührungen sind für einen guten Start ins Leben fundamental. Davon betroffen sind die emotionale, körperliche und geistige Entwicklung. Ohne Berührungen verkümmert der Mensch. "Nicht berührte Kinder entwickeln ganz schwere Entwicklungsdefizite. Sie reifen körperlich und geistig nicht gut. Das Tragische an diesen Entwicklungen ist, dass sie nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Diese Reifungsdefizite sind nicht mehr reparabel und können auch nicht mehr aufgeholt werden." "Ich werde umarmt, also bin ich." (Tastsinn- bzw. Haptikforscher und Psychologe Dr. Martin Grunwald, Haptikforschungslabor der Uni Leipzig.) Warum wir Berührung brauchen – Die Macht des Tastsinns (Planet Wissen, 58:40 min). Touch me – was Berührung mit uns macht (ZDF, Leschs Kosmos, 26:35 min; 2022).
Physische Verfassung: Trotz eines normalen Blutbildes stellt der Körper zu wenig Energie zur Verfügung. Bereits kleine alltägliche Aufgaben führen rasch zur Ermüdung / Erschöpfung. Man muss mit den eigenen Kräften haushalten, um durch den Tag zu kommen (im erwerbsmäßigen Alltag kaum umsetzbar). Nahrungsmittelunverträglichkeiten bzw. gröbere Verdauungsprobleme (verminderte Energiezufuhr). Erschöpfungszustände nach Infektionskrankheiten (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom).
Familie / Partnerschaft / Betreuung & Pflege: Die eigenen Interessen bzw. das eigene Leben zugunsten anderer Person hintenanstellen bzw. aufgeben, lang anhaltende Konflikte, Psychoterror, usw. Überlastung durch untragbare Verpflichtungen.
Soziale Komponenten / Sonstiges: Häufige oder chronische existenzielle Sorgen / Ängste, (Umwelt-)Gifte, Fremdbestimmung, Armut, Lärmbelästigung, Geruchsbelästigung (zB grausliger Zigarettenrauch, der durch Türen, Fenster und Luftschächte in die Wohnung dringt), Schlafentzug.
Arbeitsplatz: Mobbing, Arbeitsüberlastung wegen Mitarbeitereinsparungen bei gleichzeitig steigendem Arbeitspensum und erhöhten Anforderungen. Arbeit kann trotz täglicher Mehrstunden nicht bewältigt werden. Mehrere Aufgabenbereiche derselben hohen Prioritätsstufe bei gleichzeitig ständigen Unterbrechungen, permanente Reizüberflutung, keine Pausen / Rückzugsmöglichkeiten. Arbeiten bei fast ausschließlich künstlichem Licht bzw. dämmrigen Lichtverhältnissen. Stress durch Hitze (zB bei tägl. 8-12 Stunden Aufenthalt in unklimatisierten, schwülen fast 30 Grad heißen Räumen, teils mit Durchzug). Aussichts- und Hoffnungslosigkeit bezüglich Situations-Verbesserung, Angst um Arbeitsplatzverlust, usw. Monatliches und jährliches Kappen nicht genutzter Überstunden.
° Wenn die Arbeit uns krank macht - 12 Faktoren zum Burnout [102 KB]
° Kapitalismus macht krank
° Macht Stress doof? (P.M. Wissen, Servus TV, 10:13 min)
Beim Aufzählen von Burnout-Gründen kommen in Ratgebern gerne das Verleugnen von Problemen und die Schuldzuweisung an die Betroffenen zum Ausdruck - nach dem Motto "Der / Die arbeitet zwanghaft, freiwillig oder gerne zu viel." Aus eigener Erfahrung und jenen meiner früheren MitarbeiterInnen sei gesagt, dass unsere Vorgesetzten stetig auf die ganze Problematik hingewiesen worden sind. Sie waren jedoch relativ machtlos, hielten Beschwerden für übertrieben oder hatten einfach kein Ohr dafür. Das (gut gemeinte, aber beinahe höhnisch anmutende) Anbieten von Zeitmanagementkursen zeigte kaum Erfolg. Für teures Geld engagierte Team-Mediatoren rückten das ganze Dilemma erst so richtig an die Oberfläche und beeinflussten unser aller Verfassungen auffällig negativ. Erst irgendwann nach meinem gesundheitlich bedingten Berufsausstieg (und diverser ähnlich gelagerter Vorkommnisse) soll es zu Verbesserungen der Arbeitsplatzbedingungen gekommen sein.
Rückblickend denke ich wohlwollend an die meisten der prima interagierenden Abteilungs-Teammitglieder bzw. Arbeitskollegen im gesamten öffentlichen Dienst zurück! Außerhalb der Arbeitszeiten frönte unser Team wöchentlich der Musik (Gesangsgruppe mit Gitarre und Akkordeon) oder genoss manch gemeinsame Wanderung in die umliegende Bergwelt.
PERSÖNLICHES FAZIT
Mein Zustand blieb ein paar Jahre unerkannt, da man sich lediglich am Blutbild orientierte. Daraus resultierendes Ergebnis: "Sie sind pumperlg'sund!" Komplementärmedizinische Hinweise aus dem TCM-Bereich (Puls- und Zungendiagnose, Reaktionen auf Akupunktur / Akupressur und Phytotherapie mit rein europäischen Kräutern / Inhaltsstoffen) wurden seitens der Schulmediziner in den Wind geschlagen. Damit möchte ich die Schulmedizin keineswegs in Abrede stellen. Nach dem endgültigen Zusammenbruch folgten etliche Infusionen etc. Ich wog knapp 50 kg, konnte mich kaum auf den Beinen halten und musste für Erledigungen außer Haus um Hilfe bitten. Ein vierwöchiger Kuraufenthalt tat einerseits sehr gut (Danke an das bemühte und sehr freundliche Team im SKA-RZ Saalfelden des Jahres 2006), barg aufgrund des Programms und der strammen Hausordnung aber auch einen gewissen Stressfaktor.
Der chronische Erschöpfungszustand führt(e) allgemein rasch an Grenzen (erinnert an ME / CFS-Symptome oder Long Covid). Seitens der Ärzte herrschte sowohl Uneinigkeit über die Diagnose, als auch über die Notwendigkeit eines Medikamenteneinsatzes (ob überhaupt, und wenn doch, welche Art bzw. welche Dosis). Geholfen hat die mehrmonatige medikamentöse Behandlung nicht. Letztendlich befolg(t)e ich den ärztlichen Rat, selbst auf meinen Körper zu hören und entsprechend zu handeln. Das bedeutet: Mit den wenig vorhandenen Energien haushalten. Unnötige Verpflichtungen nach Möglichkeit meiden (die Realität sieht oft anders aus, geht es zB um die aufgezwungene Betreuung von Angehörigen, die fortwährend Belastungsgrenzen überschreitet und eigene Bedürfnisse hintenanstellt). Regelmäßig moderate Bewegung in der ruhigen Natur genießen und sich geistig mit wohltuenden Themen beschäftigen. Auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten achten.
Den Arbeitsplatz musste ich aufgeben. Das jetzige Einkommen liegt unterhalb der Armutsgrenze. Hinzu kommen eine gewisse gesellschaftliche Ausgrenzung, Spott/Beschimpfungen, Unverständnis und massivere existenzielle Ängste. Denn die Armuts-Spirale zieht unweigerlich nach unten. Ohne Hilfe (in meinem Fall durch das Beziehen einer gemeinsamen Wohnung mit meinem Partner) wäre ich durch den Mietwohnungsverlust 2016 unter der Brücke oder in einem Obdachlosenheim gelandet. Die Gemeindewohnungs-Anfrage wurde mittels "Auslach-Anschiss" mit der Begründung abgetan, es läge eine Liste mit gut 1500 wartenden Wohnungsbewerbern vor - darunter etliche Obdachlose, Schwerstkranke und Konventionsflüchtlinge. Die Gemeinde vergibt ihre Wohnungen vorzugsweise an Personen mit ausreichend hohem, geregelten Einkommen. Sozial Schwache werden "abgewimmelt". Mir wurde ein Umsehen auf dem freien Wohnungsmarkt empfohlen. Seitens höherer Stelle kam auf eine Anfrage die Antwort, dass Personen, die krankheitsbedingt dauerhaft in eine existenzbedrohende Lebenssituation geraten, keinen Anspruch auf ein ausreichend hohes Einkommen hätten, da dies gegenüber der arbeitenden Bevölkerung nicht fair wäre! Ein höheres Einkommen sei "weihnachtliches Wunschdenken"! Aha, es ist also fair, krankheitsbedingt in Armut zu versinken und in eine Obdachlosigkeit zu schlittern. So viel zum Thema "Sozialstaat" und "Solidarität"...
Das ist kein Einzelfall! Politiker sehen trotzdem keinen Handlungsbedarf bezüglich Systemänderung bzw. Armutsbekämpfung. Lieber züchten sie aufgrund mangelhafter Sozialpolitik und Bevorzugung Reicher die Armut im eigenen Land fröhlich weiter. Wem es eh schon nicht gut geht, der muss zusätzlich mit dem jederzeitigen Verlust seiner Existenz rechnen, während viele Reiche die Meinung vertreten, Arme seien faul und den Reichen deren Wohlstand nur neidig...
Modediagnose Burnout?
Begleittext (Auflistung) zum Vortrag "Modediagnose Burnout?" - hier [403 KB]